Als ich zur Sternenmama wurde – Trauer, ja - Aufgeben, nein!
Gepostet von Tanja Lier amWenn das eigene Kind stirbt, scheint für die Eltern auch das eigene Leben keinen Sinn mehr zu machen. Der Weg zurück in den Alltag ist für viele das ganze weitere Leben ein Kraftakt. Selbst wenn das Trauma überwunden wurde – die Trauer bleibt.
In Deutschland gibt es pro Jahr mehr als 3000 Sternenkinder.
Alle Sterneneltern haben ihr Kind noch vor oder kurz nach der Geburt verloren. Schon seit mehreren Jahren tauschen wir uns immer wieder mit Sterneneltern aus. Und deshalb freue ich mich sehr, dass Vanesa sich bei mir gemeldet hat und heute ihre Geschichte mit uns teilt.
Wie gerne hätte ich mich persönlich mit Vanesa auf einen kleinen Spaziergang um die Alster getroffen. Doch leider trennen uns dafür zu viele Kilometer, so dass wir uns kurzerhand auf ein Zoom-Gespräch verabredet haben:
Tanja: Liebe Vanesa, vielen Dank, dass du dir heute die Zeit genommen hast um mir deine Geschichte zu erzählen. Ich weiß, dass das Thema für viele Menschen unvorstellbar ist. Das eigene Kind zu verlieren ist das Schlimmste, dass auch ich mir vorstellen kann. Dennoch ist es sehr wichtig, dass wir darüber sprechen, weil das viel zu wenig getan wird.
Vanesa: Ich bedanke mich bei dir. Ich finde die Idee sehr schön über unsere Geschichte zu sprechen und damit vielleicht anderen Sterneneltern zeigen zu können, dass sie nicht alleine mit ihren Gedanken und Gefühlen sind.
Tanja: Magst du Deine Geschichte mit mir teilen?
Vanesa: Sehr gerne. Ich bin jetzt 30 Jahre alt und habe meinen erstgeborenen Sohn im Januar 2020 gehen lassen müssen. Ich habe in der 25. Ssw Wehen bekommen und mein Sohn musste dann per Notkaiserschnitt auf die Welt geholt werden. Er wog 722g und war sehr schwach, so dass er sofort in den Brutkasten gelegt wurde.
Nach zwei Tagen haben wir erfahren dass er seitdem unter mehreren schweren Gehirnblutungen litt und ohne Hilfe von Maschinen nicht leben können wird. Man konnte es uns nicht konkret sagen, doch die Schwestern und Ärzte meinten er habe bereits jetzt starke Schmerzen, was sich aufgrund des bereits vorhandenen Ausmaßes nur noch verschlimmern würde.
Schweren Herzens haben wir uns dazu entschieden die Maschinen abzuschalten. Damit er nicht mehr leiden muss. Nach der Entscheidung ihn gehen zu lassen war es auch das erste Mal möglich ihn zu halten und ihn auf unserer Brust zu haben, weil dann die ganzen Schläuche abgenommen wurden. Seinen letzten Herzschlag hatte er dann auf der Brust meines Mannes. Natürlich hat es uns das Herz gebrochen, auch wenn wir wussten, dass es für ihn das Beste ist.
Tanja: Liebe Vanesa, erstmal vielen Dank für Dein Vertrauen. Ich habe gerade am ganzen Körper Gänsehaut und ich möchte dir einmal sagen wie leid es mir tut, dass ihr euren kleinen Schatz gehen lassen musstet.
Vanesa: Vielen Dank. Ich muss dir aber sagen, dass es mir gerade richtig gut tut über ihn zu sprechen und unsere Geschichte zu erzählen. Und ich schätze mich mittlerweile auch wirklich sehr glücklich, weil ich ihn zwei Tage bei mir hatte. Ich konnte ihn nach seinem Tod baden, wickeln und anziehen. Das hat mir so viel gegeben. Ich hatte das Gefühl Mama zu sein. Seine Mama zu sein. Und ja, dieser Moment war für mich sehr, sehr wichtig.
Tanja: (ringt um Worte) Ich bin unglaublich beeindruckt von dir. Ich meine, dieser schwere Verlust ist gerade mal ein Jahr her, also sehr frisch. Wie hast du es geschafft das alles zu verarbeiten?
Vanesa: Ja, du hast recht. Es ist noch sehr frisch. Aber was mir wirklich geholfen hat ist mein Mann und mein Hund. Und unglaublich viel zu reden. Mein Mann und ich haben immer wieder über unsere Gefühle und Eindrücke gesprochen. Immer wieder haben wir uns über den Moment der Geburt, die letzten Momente mit unserem Sohn und natürlich auch über unsere große Traurigkeit gesprochen.
Mein Mann hat ganz anderes getrauert als ich, aber das ist auch total in Ordnung. Ich wusste schon im Krankenhaus, dass wir beide das zusammen schaffen. Und wir haben es geschafft und sind dabei sogar noch stärker zusammengewachsen.
Tanja: Das ist auch nicht selbstverständlich. Es freut mich sehr, dass ihr das zusammen gemeistert habt. Was würdest du anderen Sterneneltern mit auf den Weg geben? Was sind deine Erfahrungen, die auch anderen in dieser Situation helfen können?
Vanesa: Reden, reden, reden. Kapselt euch nicht ab oder versucht alles alleine zu stemmen. Ihr seid mit diesem Thema nicht allein! Wir haben selbst diese Erfahrung gemacht, dass unglaublich vielen anderen ein ähnliches Schicksal widerfahren ist und es hat uns sehr geholfen zu wissen dass wir nicht alleine sind.
Vanesa und ich haben uns sehr offen über eine Stunde lang unterhalten.
Das Gespräch war sehr emotional und für mich sehr beeindruckend.
Vanesa ist wirklich eine unglaublich starke Frau, die so viel Lebensfreude und Glück ausstrahlt.
Weiterführende Links: In Erinnerung an das eigene Sternenkind - unsere Sternenkindposter